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Asien: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Uranbergbau gibt es in Asien seit dem Zweiten Weltkrieg. Bis heute behandeln dort die meisten Förderländer das Thema als geheime Staatsangelegenheit

Ming-Kusch, Mailuu-Suu, Kajy-Sai, Schakavtar, Sumsar, Ak-Tuez und Orlovka – das sind Städte in Kirgisistan, von denen vor dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 kaum jemand gehört hat. An diesen Orten wurde Uran für das sowjetische Atomwaffenprogramm gefördert. Ming-Kusch im Osten und Mailuu-Suu im Süden des Landes gehörten zu den am besten entwickelten Städten Zentralasiens. Mit einem großen Makel: Sie waren geschlossen. Niemand durfte darüber reden, dass dort Uran für die Bomben gewonnen wurde. Noch vor dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Uranabbau beendet, eine geplante Wiederaufnahme lehnte das kirgisische Parlament nach Protesten im Mai 2019 ab. Nach dem Wunsch des Wirtschaftsministeriums soll er nun aber zumindest Staatsunternehmen wieder gestattet werden.

Der Uranbergbau in Asien begann bereits während des Zweiten Weltkriegs in Tabošar, dem heutigen Istiqlol im Norden Tadschikistans. Nach einem 1942 verabschiedeten Dekret der sowjetischen Führung sollten von dort binnen weniger Monate vier Tonnen Uran geliefert werden, um die Voraussetzungen für den Bau der ersten sowjetischen Atombombe zu schaffen. Und auch in Tadschikistan wurden Uranförderung und -verarbeitung vom Sowjetregime als Staatsgeheimnis behandelt. Als 1992 die letzte Mine schloss, waren insgesamt 20 000 Tonnen Uran gefördert worden.

Auch in Kasachstan wurde schon während des Zweiten Weltkriegs nach Uran gesucht, und nach IAEA-Angaben wurden bis in die 80er Jahre 30 kommerziell nutzbare Lagerstätten mit mehr als 1 000 Tonnen in fünf Uran-Regionen entdeckt. Mitte der 50er Jahre haben die Sowjets mit dem Uranbergbau begonnen, insgesamt vier Produktionszentren errichtet und bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion rund 70 000 Tonnen Uran gefördert, auch hier unter strenger Geheimhaltung. Während Uran bis 1990 fast ausschließlich unter Tage oder im offenen Tagebau gefördert wurde, setzt der 1997 gegründete Staatskonzern Kazatomprom heute nur noch auf das In-Situ-Leach-Verfahren (ISL). Zwei Regionen eignen sich dafür: Chu-Syrdarya im Süden mit den weltweit größten Uranlagerstätten und Kokshetau im Norden. Weil die ISL-Förderung keine strahlenden Halden hinterlässt, stuft der Konzern Uranabbau als unproblematisch ein. Wissenschaftler*innen sehen das anders: »In den meisten Fällen führt diese Technik zu einer extremen Verunreinigung des Grundwassers. An einigen Standorten ist diese Verunreinigung über große Entfernungen gewandert und hat die Trinkwasserversorgung beeinträchtigt «, sagt Gavin Mudd vom Royal Melbourne Institute of Technology in Australien.

In Russland wurden bis zum Ende der Sowjetunion 93 980 Tonnen Uran gefördert. Im Zuge der Abrüstung nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde eine Mine nach der anderen wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossen. Heute leitet Rosatom die zivile und militärische Atomindustrie Russlands und damit auch das Urangeschäft. 2004 nutzte der Staatskonzern in Dalur erstmals ISL, mittlerweile ist es in den drei noch betriebenen Uranminen die Regel. Rosatom veröffentlicht zwar einen 225 Seiten starken Geschäftsbericht; darin steht aber abgesehen von nackten Produktions- und Kennzahlen nichts über Uranbergbau. Vor allem Probleme kommen nicht vor. Dazu Uranexperte Paul Robinson: »In einigen Häusern in der Umgebung von Uranminen in Krasnokamensk wurden Radon-Konzentrationen von bis zu 28 000 Becquerel pro Kubikmeter gemessen; dieser Wert liegt 190 mal über dem Grenzwert, bei dem zum Beispiel in den USA Sofortmaßnahmen gesetzlich vorgeschrieben sind.« Derlei Fällen geht jedoch niemand nach.

Auch gibt es kein Programm zur Sanierung der geschlossenen Minen. Kümmern sich Umweltorganisationen darum, bekommen sie die Macht des Staates zu spüren. So müssen sich alle NGOs, die vom Ausland finanziell unterstützt werden, als »ausländische Agent*innen« registrieren lassen. Der Atomphysiker Oleg Bodrov musste 2017 sogar die Leitung der Organisation »Green World« abgeben, weil er sich für die Stilllegung aller Atomkraftwerke in Russland und die Einstellung des Uranbergbaus engagiert.

Nicht besser sieht es in China aus. 1964 zündete das Land seine erste Atombombe und baut seither auch zur Stromerzeugung Uran ab. Wer Uranbergbau kritisiert, gilt als Staatsfeind, wie das Beispiel des NFFA-Preisträgers Sun Xiaodi zeigt: In der Provinz Gansu gibt es reiche Uranvorkommen, 1967 eröffnete dort mit der No. 792 Uranium Mine eines der größten Bergwerke. Sun Xiaodi managte ein Lagerhaus und begann 1988 Fragen nach Gesundheitsschäden und Strahlenbelastung zu stellen. 1994 wurde er entlassen. Weil er weiter fragte und 2005 einem französischen Journalisten ein Interview gab, wurde er unter Hausarrest gestellt und 2009 wegen Aufhetzung der Öffentlichkeit zu zwei Jahren Straflager verurteilt, berichtet die Ärzteorganisation IPPNW.

Über 50000 Tonnen Uran wurden bisher aus dem Boden geholt – mittlerweile durch den Staatskonzern CNNC. Weil China sein ziviles Atomprogramm massiv ausweitet, reicht die eigene Förderung nicht: Rund ein Drittel holt das Land aus eigenen, ein weiteres Drittel aus ausländischen Minen, an denen die CNNC beteiligt ist. Den Rest kauft es auf dem freien Markt.

Pakistan testete 1998 seine erste Atombombe und betreibt aktuell fünf Atommeiler. Das Land hat bisher etwas mehr als 1700 Tonnen Uran gefördert, im Jahr 2020 noch 45 Tonnen. Zur Sicherung seines Uranbedarfs hat es langfristige Verträge mit China.

Mit insgesamt 535 Tonnen ist in der Mongolei vergleichsweise wenig Uran abgebaut worden. Obwohl über 100 000 Tonnen Uranreserven nachgewiesen sind, wurde der Abbau noch vor der Jahrtausendwende eingestellt. Die mongolische Regierung hat aber insgesamt 107 Explorationslizenzen vergeben. Neben Areva/Orano sind indische, chinesische, japanische und russische Firmen daran interessiert, mit dem Abbau wieder zu beginnen.

Wegen seiner Raketenpläne steht Iran wie kein zweites Land unter internationaler Beobachtung: 261 Tonnen Uran hat Iran bis 2020 selbst gefördert, seine Anreicherung zu waffenfähigem Uran soll in jedem Fall verhindert werden. Neben Pakistan, Israel und dem Sudan ist Indien das vierte Land, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat. Allerdings ist Indien als einziges asiatisches Uranförderland demokratisch strukturiert. Mit dem Aufstieg zur Atommacht begann der Uranbergbau 1967 in Jadugoda in 640 Metern Tiefe. 2007 befragten indische Ärzt*innen, die sich für Frieden und Entwicklung engagieren, in einer groß angelegten Fallstudie fast 4000 Haushalte, schreibt IPPNW. »Sie fanden heraus, dass Babys, die in dem betroffenen Gebiet geboren wurden, fast doppelt so häufig angeborene Missbildungen aufwiesen wie Babys, in nicht kontaminierten Kontrolldörfern, und dass 9 Prozent der Babys daran starben – das mehr als Fünffache im Vergleich zur Referenzsterblichkeitsrate. «

Heute hat Indien 21 Atomkraftwerke und einen dementsprechend großen Brennstoffbedarf. Obwohl das Land über große Uranreserven verfügt, hat die staatliche Uranium Corporation of India (UCIL) bis 2020 nur 13 676 Tonnen Uran abgebaut. Und das liegt auch an den Möglichkeiten des demokratischen Widerstands: Bei Lambapur-Peddagattu hat die UCIL drei Untertage- und einen Tagebau geplant. Eine große Protestbewegung der Anwohner*innen hat die Inbetriebnahme bislang verhindert. Vergleichbar liegen die Pläne für neue Uranminen in der Region Meghalaya im Osten des Landes auf Eis.

Weiterführende Informationen

• Jadugoda Gesundheitsstudie: ippnw.org/pdf/jadugoda-health-survey.pdf