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KLIMAWANDEL: DIE LEGENDE VON DER KLIMAFREUNDLICHEN ENERGIE

Die Atomindustrie arbeitet an der vierten AKW-Generation und argumentiert mit dem drohenden Klimawandel. Im Rahmen des EU-Taxonimie-Reports ist Atomkraft sogar als nachhaltig eingestuft worden. Ein absolutes Unding. Es gibt weitaus bessere, wesentlich billigere und vor allem vollkommen ungefährliche Möglichkeiten.

Ein Kilo Uran-235 enthält die Energie, um 24 Millionen Kilowattstunden Wärme zu erzeugen, ein Kilo Kohle kommt nur auf acht. Kein Wunder, dass die Atomindustrie ihre Kraftwerke seit Jahrzehnten als Heilsbringer beschwört – neuerdings zum Schutz des Klimas. »Sämtliche Technologien, die einen niedrigen CO2-Ausstoß haben, werden gebraucht, um die Ziele des Pariser Klimavertrags zu erreichen – auch Kernkraft«, kann man in der Schrift »Nuclear Power and the Paris Agreement« der IAEA lesen. Die gesundheitlichen Gefahren des Uranabbaus, die Möglichkeit eines Super-Gaus und die immer noch ungelöste Endlagerfrage werden nicht erwähnt.

Klimaschutz ist derzeit das zentrale Argument, um Atomkraft wieder salonfähig zu machen. Die Europäische Union hat Atomkraft im Rahmen des sogenannten EU-Taxonomie-Reports sogar als nachhaltig eingestuft, obwohl sich Dänemark, Deutschland, Österreich und Portugal eindeutig dagegen ausgesprochen haben. Um das Klima zu retten, müssten laut IAEA bis 2050 900 Gigawatt Kernkraft neu installiert werden – wobei kein Strom-Konzern einen AKW-Neubau ohne massive staatliche Unterstützung angeht. Das wären 600 bis 700 neue Atommeiler, weit mehr als heute in Betrieb sind. Ein solch massiver Ausbau würde das bereits bestehende Sicherheitsrisiko dramatisch vergrößern und wäre für die jeweiligen Staaten ein wirtschaftliches Desaster. Warum in diese in jeder Hinsicht hochriskante Technologie investieren, wenn gleichzeitig Wind- und Sonnenstrom immer kostengünstiger zu haben sind?

Die Atomindustrie war bereits in den vergangenen 70 Jahren hochsubventioniert und ist rein ökonomisch betrachtet nicht überlebensfähig. Von der Beseitigung der Schäden des Uranbergbaus über den Normalbetrieb bis hin zu den schwer bezifferbaren Kosten für Rückbau und Endlagerung hat diese Industrie weder den wahren Preis ihres Wirtschaftens ermittelt, noch ihre wirtschaftliche Situation angemessen beleuchtet. Durch ihre Verflechtung mit dem Bau von Atombomben und dem Unterhalt atomar betriebener U-Boot-Flotten wurden immer wieder staatliche Subventionen bereitgestellt.

Deutschland hat den Atomausstieg beschlossen und will die letzten Reaktoren der zweiten Generation im April 2023 stilllegen. Reaktoren der dritten Generation werden seit 2005 unter wachsenden Schwierigkeiten in Frankreich, Finnland und China gebaut, seit 2018 auch in Großbritannien: Der finnische Reaktor Olkiluoto 3 ist 2022 ans Netz gegangen – 13 Jahre später als geplant. Die Kosten: 11 Milliarden Euro, geplant waren 3 Milliarden. Den geplanten Bau von Block 4 hat Finnland auf Grund dieser Erfahrungen aufgegeben. Flamanville in Frankreich: Geplante Fertigstellung 2012, kalkulierte Baukosten 3,3 Milliarden Euro. Der Reaktor geht vielleicht 2023 ans Netz, die Kosten betragen nach Angaben des französischen Rechnungshofs 19 Milliarden Euro. Der weltweit erste EPR, der ans Netz ging, ist Taishan-1: gebaut in China zwischen Oktober 2009 und Juni 2018, ebenfalls deutlich hinter dem Zeitplan und mit erheblichen Kostensteigerungen. Die britischen Reaktoren Hinkley Point C1 und C2 sollen 25 bis 26 Milliarden Pfund kosten und frühestens 2027 Strom produzieren. Der Bau neuer AKW dauert viel zu lange und ist viel zu teuer, um zur Lösung der Klimakrise etwas beitragen zu können.

Von der Atom-Lobby wird neuerdings behauptet, die im Entwicklungsstadium befindlichen Atomreaktoren der vierten Generation seien die Lösung. Diese Flüssigsalzreaktoren arbeiten mit Thorium als Brennstoff. Die Behauptung, dieser Reaktortyp sei aufgrund seiner Konstruktion besonders sicher, bezieht sich lediglich auf die technische Anlagensicherheit. Die Bedrohung durch Naturkatastrophen, Terroranschläge, Flugzeugabstürze, menschliches Versagen und so weiter bleibt bestehen. Hinzu kommt das große Risiko der Weiterverbreitung von waffenfähigem Uran: Alle bisherigen Atomreaktoren machen die Entnahme von waffenfähigem Material nahezu unmöglich. Beim Thorium-Flüssigsalzreaktor ist die Materialeinspeisung und -entnahme mittels einer eingebauten Aufarbeitungsanlage fester Bestandteil des Reaktors. Die vierte Reaktorgeneration vereinfacht den Bau von Atomwaffen wesentlich, da sie keine aufwendige Anreicherung erfordert. Und zur Lösung der Klimakrise sind sie auch nicht geeignet: Nach Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags „ist mit einem kommerziellen Reaktor nicht vor 2060 zu rechnen“.

Auch sogenannte Kleine modulare Reaktoren (SMR) werden als Lösung angepriesen. Russland hat 2020 nach 13 Jahren Bauzeit mit der Akademik Lomonossow einen schwimmenden Reaktor realisiert. Darüber hinaus sind mehrere Start-up-Designs im Umlauf, beispielsweise von Bill Gates' Terrapower, NuScale und Rolls Royce. SMR sind aber nichts Neues. Ihr Prinzip ist durch Schiffsantriebe (z.B. Westinghouse S2W) seit den 1960er Jahren bekannt. Ihre geringe Größe – 1,5 bis 300 Megawatt – macht sie aber noch unwirtschaftlicher als die großen Meiler. Zur Lösung der Klimakrise taugen sie deshalb erst recht nicht. Und sie produzieren ebenfalls Atommüll.

Weiterführende Informationen

• IRENA: Renewable Power Generation Costs in 2021, als PDF unter irena.org
• Links: dont-nuke-the-climate.org; ise.fraunhofer.de

GLOBALES POTENZIAL DER ERNEUERBAREN

Rund um den Globus sind Erneuerbare Energien inzwischen deutlich kostengünstiger als Atomstrom und selbst gegenüber bestehenden Kraftwerken konkurrenzfähig, die mit Kohle oder Kernkraft betrieben werden. Je nach Standort und Region sind es mal Windräder, mal Wasserkraftwerke und mal Photovoltaikanlagen, die den preiswertesten Strom liefern, wie die International Renewable Energy Agency ermittelt hat.

Das 600 Megawatt-Solar-Projekt Al Shuaiba PV IP in Saudi-Arabien soll die Kilowattstunde für 1,04 US-Cent liefern – Weltrekord. In der Türkei ist Solarstrom aus neuen Kraftwerken für 2 US-Cent/Kwh möglich. Länder wie Norwegen oder Österreich wiederum nutzen ihr enormes Potenzial an Wasserkraft und zeigen damit, dass sie Strom sehr günstig produzieren können. Atomkraft kann mit nirgendwo auf der Welt wirtschaftlich mit den Erneuerbaren mithalten.