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Geschichte

KOLONIALES ERBE

Bis in die 1970er Jahre war die Uranförderung zum größten Teil militärisch begründet. Sie ging von Anfang an zu Lasten der lokalen Bevölkerung, besonders indigener Gesellschaften. Daran hat sich bis heute wenig geändert

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Uran erstmals als Nebenprodukt in englischen und sächsischen Minen gewonnen. Mit dem Schwermetall konnten Keramiken bemalt und sogenanntes Vaselineglas hergestellt werden. Erst mit der Entdeckung, dass man zur Kernspaltung Uran- 235 braucht, und dem Bau der ersten Atombomben während des Zweiten Weltkriegs kam es zum aggressiven Abbau. Das Schwermetall wurde bis weit in die 1960er Jahre vor allem zu militärischen Zwecken und zum Aufbau der Abschreckungsar- senale in Ost und West abgebaut.

Den Rohstoff für das Manhattan-Projekt – der Entwicklung der Atombombe während des Zweiten Weltkrieges – bekam die US-Regierung aus dem damaligen Belgisch-Kongo und aus Kanada. In der kongolesischen Shinkolobwe-Mine wurde Uran Anfang der 1920er Jahre entdeckt und später gezielt abgebaut. Das Erz enthielt bis zu 65 Prozent Uran, so viel wie keine andere Mine auf der Welt. In Kanada wurde Uran 1930 in der Region des Great Bear Lake entdeckt.


Während sich noch kein US-Präsident für die atomare Verwüstung von Hiroshima und Nagasaki entschuldigt hat, taten dies die kanadischen Dene – selbst Opfer von Uranabbau – 53 Jahre nach dem Abwurf. Weil auch von ihrem Territorium Uran für die ersten Bomben stammt, fühlten sie sich für die Zerstörung mitverantwortlich.
Der Uranabbau kann nicht losgelöst von kolonialen Kontinuitäten betrachtet werden. Schon ein oberflächlicher Blick auf die Ungleichverteilung von Orten der Rohstoffproduktion und der Nutzung von Atomenergie zeigt die Parallele zu kolo- nialer und neokolonialer Ausbeutung. Von den 1940er bis in die 1980er Jahre hinein kam der überwiegende Teil des für ameri- kanische, britische und französische Bomben und Reaktoren genutzten Urans aus damaligen, ehemaligen oder »internen« Kolonien. Auch das Uran aus Kanada kam aus den indigenen, nie abgetretenen Gebieten der Dene, die bis heute unter dem Uranbergbau leiden. Ein anderer Teil stammt aus der Elliott Lake Region – wo bis heute das nahegelegene Reservat radio- aktiv belastet wird. In der Provinz Quebec verhinderten die James Bay Cree 2015 neue Uranminen. Bis heute besteht dort de facto ein Moratorium. Geschichte und Gegenwart des Uran- bergbaus sind dementsprechend eng mit der Missachtung indi- gener Rechte verbunden.

Während die USA nach dem Zweiten Weltkrieg eine Auf- kaufgarantie für Uran aus dem eigenen Land gaben und unzäh- lige private Firmen anlockten, war Uranbergbau in Frank- reich und der Sowjetunion Staatssache. Ganz Afrika geriet ins Blickfeld, in der DDR und der Tschechoslowakei entstand eine riesige Bergbau-Industrie.

Doch erst mit der zivilen Nutzung der Atomenergie wurde Uran in den 1970er Jahren zu einem kommerziellen Rohstoff und Uranbergbau zu einem Geschäftsfeld privater Konzerne. Wurden 1950 gerade einmal 4800 Tonnen aus dem Boden geholt, waren es 1980 fast 70000, so viel wie in keinem Jahr zuvor und danach. Seinerzeit wurden am Spot- markt über vierzig US-Dollar für ein Pound Uran (454 Gramm) bezahlt. Je weniger sich Bergbaufirmen um die Gesundheit der Arbeiter*innen und die Sicherung der Minen und Tailings kümmerten, desto höher war ihr Profit. Und weil Uranbergbau in der breiten Öffentlichkeit (bis heute) praktisch kein Thema ist, achtete auch kaum jemand auf notwendige Sicherheits-, Strahlenschutz- und Gesundheitsstandards.

Mit dem Ende des Kalten Krieges endete der militärische Bedarf an Uran. Durch die Atomkatastrophen in Tschernobyl und vor allem Fukushima sowie die Stilllegung sämtlicher Atomkraftwerke in Japan ging auch die zivile Nachfrage deutlich zurück. Mehr noch: Die Atommächte deckten nach 1990 ihren Brennstoffbedarf zum Teil durch die Abrüstung ihrer Atomraketen. Der Uranspotmarktpreis sank auf ein histori- sches Tief von acht US-Dollar im Jahr 2002, stieg 2007 auf über 100 Dollar und liegt aktuell bei 25 Dollar (Stand: 25. Juli 2019). 2002 wurden weltweit nur noch 37000 Tonnen Uran gefördert. 2020 waren es 47731.
Historisch betrachtet ist Kanada mit Abstand der welt- weit größte Uranförderer: 542000 Tonnen und damit über ein Sechstel der gesamten Uranproduktion stammen von dort. Danach kommen die USA, gefolgt von Russland beziehungs- weise der Sowjetunion, Kasachstan, der DDR und Australien. Seit 2009 ist Kasachstan das wichtigste Förderland, wobei der Staat kaum Informationen über Uranbergbau preisgibt. Schon gar nicht über mögliche Probleme.

Weiterführende Informationen

  • Weltkarte atomarer Verwüstung: hibakusha-worldwide.org
  • Informationen über den weltweiten Uranabbau: uranium-network.org