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EUROPA: GLOBALER GROSSABNEHMER

Anfang 2022 waren in der Europäischen Union noch 103 Atommeiler am Netz. Damit ist die EU die weltweit größte Uranverbraucherin. Der Brennstoff kommt aber von außerhalb, und gegen neue Bergwerke gibt es heftigen Widerstand

Mit der südöstlich von Prag gelegenen Rožná-Mine wurde Anfang 2017 die letzte Mine in Mitteleuropa stillgelegt. Rožná wurde bereits in den 50er Jahren erschlossen, beschäftigte während ihrer Hochzeiten in den 70er Jahren 4 000 Menschen und lieferte insgesamt 4 000 Tonnen Uran. Im November 2021 musste die Crucea-Mine in Rumänien als letzte noch arbeitende Uranmine in der EU dicht machen, weil die nationale Urangesellschaft, die die Mine betreibt, Insolvenz angemeldet hat. Das Unternehmen war ohnehin nur durch einen Millionenkredit des am Leben erhalten worden, nachdem die rumänische Nuclearelectrica als einzige Abnehmerin sich 2016 dafür entschied, billigeres Uran aus Kanada zu kaufen. Der rumänische Staat hat mit dem heimischen Uran eine Art nationale Uranreserve gebildet.

Heute gibt es in Europa nur noch in Kasachstan, Russland und der Ukraine Uranbergbau. Dabei ist seine Geschichte auch hier lang und verhängnisvoll. Noch während des Zweiten Weltkriegs, im Januar 1945, begannen sowjetische Geolog*innen in Bulgarien nach Uran zu suchen. Sie waren – genauso wie die US-Amerikaner*innen mit dem Manhattan-Projekt – mit Nazi-Deutschland im Wettstreit beim Bau einer Atombombe. Sie konnten damals aber genauso wenig wie die US-Regierung abschätzen, wie weit Hitlers Kriegsindustrie bereits in der Lage war, die von der Propaganda angekündigte »Wunderwaffe« fertig zu stellen; immerhin hatte Otto Hahn 1938 in Berlin die erste kontrollierte Kernspaltung durchgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Bomben-Projekt der Sowjetunion weiter. So begannen bereits Ende Mai 1945 Erkundungen im tschechischen Jáchymov und im Erzgebirge. Getrieben vom Wettrüsten in den Zeiten des Kalten Krieges, holten die Menschen in Sachsen und Thüringen bis zur Wende 231000 Tonnen Uran aus der Erde, in Tschechien über 100000 Tonnen.

Bis Ende der 1950er Jahre haben die Bergleute in Tschechien und der DDR unter schlimmsten Bedingungen Uranerz gefördert, in beiden Ländern wurden viele sogar zwangsverpflichtet. Insgesamt haben über eine halbe Million Menschen für die Wismut gearbeitet, die als Betreibergesellschaft den Uranbergbau in der DDR organisierte. In der Sowjetunion selbst wurden bis zu ihrem Zusammenbruch »nur« rund 100 000 Tonnen Uran gefördert, Kasachstan und die Ukraine wurden erst danach wichtige Uranproduzenten.

In Ostdeutschland wurde der Uranbergbau nach der Wiedervereinigung eingestellt, in Tschechien erst 2017. Deutsche Steuerzahler*innen haben bis Ende 2020 rund 6,8 Milliarden Euro für die Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen ausgegeben – so viel wie kein anderes Land oder Unternehmen. In Tschechien investierte der Staat bislang umgerechnet 540 Millionen Euro. Bis 2040 will er noch einmal das Dreifache ausgeben.

In Westdeutschland suchte die Atomindustrie seit den 50er Jahren ebenfalls nach Uran. Menzenschwand im Schwarzwald, Müllenbach bei Baden-Baden, Mähring in der Oberpfalz und Weißenstadt im Fichtelgebirge heißen die Orte, an denen zumindest zeitweise Uran abgebaut wurde. In Ellweiler in Rheinland-Pfalz wurde es zwischen 1961 und 1989 zu Yellowcake verarbeitet, dem Ausgangsstoff für die Herstellung von Brennelementen. Nachdem festgestellt wurde, dass aus den illegalen Abraumhalden zu viel Radon emittierte und die zulässigen Grenzwerte überschritten wurden, meldete der Betreiber Konkurs an. Der Staat ließ die Halden mit 6,9 Millionen Mark aus öffentlichen Kassen sanieren. Weil es letztendlich keine wirtschaftlich interessanten Lagerstätten gibt, kam es in der alten Bundesrepublik nie zu einem kommerziellen Abbau im großen Stil.

Frankreichs Atomindustrie konnte auf größere Vorkommen zurückgreifen: Es gab 247 Uranbergwerke, die rund 81 000 Tonnen Uran aus dem Boden geholt haben. Darunter waren viele kleine Minen mit nur einem Schacht, aber auch große Bergwerke wie Mas Lavayre oder Margnac-Peny aus denen 5 000 bis 10 000 Tonnen abgebaut werden konnten. Alle Lagerstätten in Frankreich sind weitgehend ausgebeutet worden, die letzte Mine wurde im Jahr 2001 geschlossen, praktisch keine einzige wurde ordnungsgemäß saniert.

In allen Abbaugebieten Frankreichs, die der Strahlenschutzspezialist Bruno Chareyron mit seinem Labor CRIIRAD untersucht hat, lag die Strahlungsbelastung weit über der normalen Hintergrundstrahlung. Die radiologische Gefährdung für Anwohner*innen besteht weiter, so das Ergebnis seiner Untersuchungen, und ist mit der Schließung der Minen längst nicht behoben.

Portugal wiederum, das selbst kein einziges Atomkraftwerk hat, gehörte mit 91 Uranminen und insgesamt 3 720 Tonnen bis 1991 ebenfalls zu den Uranförderern Europas. Im Nachbarland Spanien, dessen letzte Mine 2001 geschlossen wurde, waren es über 5 000 Tonnen. Wie in den meisten Ländern mit Uranbergbau, wurde die Hinterlassenschaft nur unzureichend saniert.

2016 kündigte die britisch-australische Energiefirma Berkeley Energia an, mit dem sogenannten Salamanca-Projekt erneut in die Uranförderung einzusteigen. Tausende protestieren seither immer wieder dagegen und machen auf die Risiken aufmerksam. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde Portugal als direkter Nachbar nicht mit einbezogen, so dass sie nicht EU-Recht entspricht. Die Plattform Stop Uranio brachte das Thema deshalb vor den Petitionsausschuss des EU-Parlaments. Aber auch die Behörden in Spanien haben sämtliche Genehmigungen widerrufen, den Bau einer nötigen Zugangstraße gestoppt und 2021 einer Uranmühle die Baugenehmigung verweigert.

Das Beispiel Spanien zeigt, dass das Ende des Uranbergbaus in Europa nicht von alleine kommt. Erst die anhaltenden Proteste haben neue Abbauprojekte verhindert. Darüber hinaus unterstützt der niedrige Uranpreis und die Krise der Atomwirtschaft die Abkehr von der Uranförderung.

Weiterführende Informationen

• Dän. Institut für Internationale Studien: diis.dk/en/projects/governing-uranium
Bulletin of the Atomic Scientists: thebulletin.org/